Autoliebe
Anfang 1990er-Jahre, München
Die Frau an meiner Seite arbeitete in einem Medienunternehmen, das an mehreren Standorten in Deutschland und Österreich Agenturen unterhielt. Sie erzählt: Ihr Chef, Eigentümer und Direktor des Unternehmens, sei viel auf Reisen, am liebsten mit dem Auto.
Sein Dienstwagen, standesgemäß ein Mercedes der oberen S-Klasse, hatte allerdings schon einige Jährchen und entsprechend viele Kilometer auf dem Buckel. Und so drängte ihn sein Geschäftsführer dazu, einen neuen Dienstwagen anzuschaffen, weil der alte steuerlich längst abgeschrieben sei.
Zu der Zeit musste in einer der Agenturen die Stelle des Agenturleiters neu besetzt werden. Als erste seiner Amtshandlungen beantragte er einen neuen Dienstwagen.
Der Geschäftsführer nahm dies zum Anlass und brachte den Vorschlag, dass dann gleich zwei Fahrzeuge angeschafft werden sollten. Denn es wäre nun wirklich an der Zeit, dass er, der Direktor, sich von seinem alten Auto trenne. Zudem sei dann sicherlich ein größerer Rabatt herauszuschlagen.
Der Direktor ließ sich endlich überzeugen. Aber (er war auch sparsam), es müsse nur ein neues Fahrzeug angeschafft werden, denn sein alter Wagen sei noch gut in Schuss, den könne man dann dem neuen Agenturleiter überlassen.
Gesagt, getan. Der Direktor erhielt einen funkelnagelneuen BMW, der Agenturleiter den alten Mercedes.
Doch der Direktor war, aus welchen Gründen auch immer, nicht glücklich mit dem neuen BMW. Bei jeder sich ergebenden Gelegenheit brachte er zum Ausdruck, dass er seinen alten Mercedes vermisse.
Einige Wochen später trafen sich die Leiter der einzelnen Agenturen zu einer turnusmäßigen Konferenz in einem Tagungshotel irgendwo in der Mitte Deutschlands. Der neue Agenturleiter war auch dabei.
Am Ende der Tagung spielte sich nach Ohrenzeugen folgender Dialog zwischen dem Direktor und dem neuen Agenturleiter ab:
Direktor:
Agenturleiter:
Direktor:
Agenturleiter:
Der Direktor greift in seine Taschen, kramt den Autoschlüssel hervor und übergibt diesen dem Agenturleiter mit den Worten:
Gesagt, getan.
Der Agenturleiter hatte sein Wunschauto, der Direktor ist glücklich mit seinem alten Mercedes nach Hause gefahren.